Die riesengroße Nationalpark-Wattwanderung
24.06.2016 - Alina Claußen

24.06.2016 - Alina Claußen
Um euch gleich zu Beginn die Illusion zu rauben: Ich bin nicht Superwoman!
Obwohl ihr das vielleicht denken könntet, wenn ich euch gleich berichte, was ich letztes Wochenende gemacht habe. Mein Tag der Superlative beginnt um 4:30 Uhr, als mein Wecker klingelt und mein Auto mich im Halbschlaf nach Dagebüll fährt. Dort wartet bereits ein Haufen anderer Verrückter, die sich ebenfalls der Herausforderung „Riesengroße Nationalpark-Wattwanderung“ stellen wollen.
Die Fakten dieser Tour im Überblick:
1 Tag, 2 Inseln, 1 Hallig, 18 Wattkilometer, 6 Landkilometer, 60 Wattläufer, 3 Wattführer, 20 Stunden auf den Beinen.
Und das Unfassbare: Wir haben das Meer zu Fuß überquert (*Auf-die-Brust-Trommeln*)!
Aber ganz von vorne: Die Tour kann jedes Jahr nur in einem kleinen Zeitfenster stattfinden, nämlich dann, wenn es viel Tageslicht gibt (also um Mittsommer herum) und wenn die Tide so liegt, dass zwei Niedrigwasser den Tag einrahmen. An einem solchen Tag folge ich also frühmorgens im Herdentrieb einer Gruppe abenteuerlustiger, fitter Menschen ins Watt bei Dagebüll.
Kühl ist es noch und windig, aber ich laufe mich schnell warm. Die zehn Kilometer nach Hallig Langeneß, vorbei an Hallig Oland, vergehen erstaunlich schnell und leichtfüßig. Ich genieße die unendliche Weite, die frische Luft, die dezenten Naturgeräusche und das faszinierende Gefühl, über den Meeresboden zu spazieren.
Auf Langeneß angekommen beginnt der unsportliche Teil der Tour: per motorisiertem Hallig-Express werden wir zum Anleger gefahren, während zehn Kilometer idyllischer Hallig an mir vorbeiziehen. Auch auf der Fähre, mit der wir nach Amrum übersetzen, kann ich mich zurücklehnen und den zweiten Kaffee und die dritte Stulle des Tages genießen.
Auf Amrum zerstreut sich die Gruppe dann in alle Himmelrichtungen, denn wir haben ein paar Stunden „Freizeit“ bis die Ebbe das Watt fürs „Insel-Hopping“ nach Föhr freigibt. Die Sonne scheint mittlerweile und ich fläzte mich an den breiten Kniepsand, Amrums wunderschönem Sandstrand. Herrlich! Seehund müsste man sein.
Nachdem meine Energiereserven mit Friesentorte aufgetankt und die Gruppe wiedervereint wurde, geht es zu Fuß zur Nordspitze Amrums, wo uns der Vogelwart vom Verein Jordsand mit den sympathischen gefiederten Inselbewohnern bekannt macht.
Im „wattschicken“ Outfit (das heißt: Bikinihose und Beachies (Wattsocken mit schnittfester Sohle)) watscheln wir danach schnurstracks auf die größte Herausforderung des Tages zu: Der tiefe, breite, wilde Priel zwischen Amrum und Föhr. Um ihn führt kein Weg herum, wenn wir zu Fuß auf die Nachbarinsel gelangen wollen. Vorsichtig wate ich durch den 50 Meter breiten „Fluss im Meer“ und fühle dabei den gewaltigen Gezeitenstrom an meinen Beinen. Das schafft Respekt vor den Naturgewalten! Ohne unsere erfahrenen Wattführer würde ich mich hier nie durchwagen.
Geschafft! Alle bewältigen der Priel unbeschadet und trocken – zumindest an der oberen Körperhälfte. Nach acht weiteren Wattkilometern begrüßt uns der Vollmond auf Föhr. Den letzten Teil der Tour – Busfahrt nach Wyk/Föhr und Schiffahrt nach Dagebüll - lehne ich mich in wohliger Erschöpfung und mit Stolz über das Erreichte zurück - und fühle mich dann doch ein wenig wie Superwomen ;-)
P.S.:
Über den eigentlichen „Star“ des Tages will ich auch noch ein paar Worte verlieren: Das Wattenmeer selbst hat nämlich auch jede Menge Superlative zu bieten, ist es doch Lebensraum von (geschätzt) 10 Milliarden Wattwürmern und Feinschmecker-Büffet für jährlich 10 bis 12 Millionen Zugvögel.
Als Nationalpark genießt es den höchstmöglichen Naturschutz in Deutschland - dieser ist zudem noch der größte zwischen Sizilien und dem Nordkap! Und selbst hier ist noch nicht Schluss, denn unser Wattenmeer spielt sogar in der Liga der globalen Naturwunder! Mit der Auszeichnung der UNESCO zum Weltnaturerbe wurde es quasi mit dem Nobelpreis des Naturschutzes geadelt. Da kann man gar nicht anders als stolz zu sein, an einem so außergewöhnlichen Naturraum zu leben, oder?!