ein Wattwurm schlängelt sich auf der Handfläche
© Martin Stock / LKN.SH
das Wattenmeer aus der Luft
© Peter Lehner

Die Autorin Corinna Zabel erzählt in ihrer Kurzgeschichte für Kinder Abenteuer des kleinen Wattwurm Tom

Der kleine Wattwurm Tom

Es war einmal am großen Nordseestrand ein kleiner Wattwurm namens „Tom“. Eines Tages kroch der kleine Tom bei Ebbe wieder einmal vergnügt über den Schlick. Der Schlick ist der Meeresboden, der übrig bleibt, wenn sich das Wasser zurückzieht. Entgegen der Warnung seiner Eltern, grub sich der kleine Wattwurm Tom nicht tief in den sandigen Boden ein, sondern kroch neugierig in Richtung des funkelnden Lichts. Das Licht kam von den Seemuschelbänken, die bei Ebbe freigelegt wurden und in der Sonne glitzerten.

Der kleine Wattwurm Tom wollte unbedingt sehen, was das war, das ihn so magisch anzog. Als er endlich angekommen war, traf er die schöne Seebankmuschel „Rinne“, die gerade fröhlich summte und dazu mit ihren Muschelhälften klapperte. Auf Anhieb mochte der kleine Wattwurm Tom die wippende Seebankmuschel Rinne und beide merkten schnell, dass sie ganz viele Gemeinsamkeiten hatten, nämlich:

  • sie lebten im Salzwasser,
  • sie lebten bei Flut – also, wenn das Wasser der Nordsee zurückgekommen war – sicher,
  • sie wurden von ihren Eltern ermahnt, sich bei Ebbe einzugraben,
  • ihnen war sooo langweilig und
  • sie wollten unbedingt viele Abenteuer erleben.
Blick über das weite Wattenmeer
© Geheimtipp Media GmbH

Immer, wenn nun Ebbe war, trafen sich beide, tauschten Neuigkeiten aus und lachten, so viel sie konnten, miteinander. An einem schönen sonnigen Nachmittag lagen der kleine Wattwurm Tom und die schöne Seebankmuschel Rinne wieder vereint beieinander und schwärmten davon, bis ans andere Ende der Nordsee zu schwimmen, um nachzuschauen, wie es dort wohl wäre. Der kleine Wattwurm Tom war gerade dabei, seiner Freundin Rinne zu erzählen, was er von den anderen Wattwürmern über das Meer so alles erfahren hatte, als plötzlich von oben eine riesige Seemöwe angeflogen kam und sich lautlos, mit rasender Geschwindigkeit nach unten auf Tom stürzte. 

Blitzschnell warf sich die schöne Seebankmuschel Rinne auf ihren Freund Tom, schlürfte ihn in ihre Muschelhälften hinein, verschloss diese so gut sie konnte und sprang zur Seite. Die Seemöwe sah das Dilemma, konnte aber nicht mehr abbremsen, sodass sie mit ihrem Schnabel kopfüber im Schlick versank. Panisch flatterte die Möwe lange mit ihren Flügeln, bis sie sich wieder befreien konnte und flog mit schmutzigem Schnabel davon. Das war knapp!

Die schöne Seebankmuschel Rinne öffnete ihre Muschelhälften und ließ den kleinen Wattwurm Tom wieder frei. Nun wussten beide, warum ihnen die Eltern immer sagten, dass sie sich eingraben sollten. Der kleine Wattwurm Tom folgte nun den Rat seiner Eltern. Jedes Mal bei Ebbe grub er sich so tief es ging in den Nordseeboden ein und wartete, bis das Wasser wieder den Boden bedeckte und er sicher herumschwimmen konnte. Doch je öfter Tom allein und einsam tief im Schlick vergraben lag, umso mehr langweilte er sich und je größer seine Sehnsucht nach seiner Freundin, der wunderschönen Seebankmuschel Rinne, wurde, umso kleiner wurde seine Angst, von den Seemöwen gefressen zu werden. Er fragte sich, was Rinne wohl gerade machte und ob sie auch so viel an ihn dachte.

Ein Haufen des Wattwurms im Watt
© Tina Wagner / LKN.SH

Bald hielt es der kleine Wattwurm Tom nicht mehr aus, sodass er sich aufmachte, um ein letztes Mal zu den Muschelbänken zu kriechen. Der Weg dorthin war leicht, denn er brauchte nur dem glitzernden Licht zu folgen. Und tatsächlich traf der kleine Tom seine allerbeste Freundin Rinne wieder. Doch dieses Mal war es ganz anders …
Beide, der kleine Wattwurm Tom und die wunderschöne Seebankmuschel Rinne, waren erwachsen geworden. Beinah hätten sie sich gar nicht wieder erkannt, denn Tom war zu einem dicken, majestätisch langen Wurm herangewachsen und Rinnes Muschelhälften funkelten riesengroß. Doch es gab noch eine Überraschung

Der kleine Wattwurm Tom hatte damals, als ihn die Seebankmuschel Rinne beschützend in sich aufgenommen hatte, um ihn vor der gefräßigen Möwe zu retten, auch ein wenig Meeresbodensand an sich kleben. Zwei Sandkörnchen blieben, nachdem Tom wieder frei war, in der Muschel zurück und daraus wuchsen mit der Zeit bunt schimmernde Perlen heran. Als die wunderschöne Seebankmuschel Rinne ihrem Wattwurmfreund Tom die zwei Perlenkinder zeigte und ihm sagte, dass er der Perlenpapa sei, wurde Tom ganz warm ums Herz. Er konnte es kaum glauben. War er bisher in seiner Wattwurmkolonie nur ein ganz gewöhnlicher Wurm gewesen, der aus Träumen bestand und sich nutzlos vorkam, so hatte er doch mitgeholfen, dass so etwas Wundervolles entstehen konnte. Wattwurm Tom fühlte sich nun nicht mehr unbedeutend und unwichtig, denn er war der Papa der schönsten Perlen, die er je gesehen hatte und seine allerliebste Muschelfreundin war die Mama dieser zwei Wunder.

Fortan blieb der groß gewordene Wattwurm Tom in der Nähe der Muschelbänke und besuchte regelmäßig bei Ebbe seine wunderbare Familie. Er putzte seine Muschel Rinne immer blitzblank, sodass sie weit in der Sonne strahlten konnte. Kam eine Möwe angeflogen, gruben sich beide schnell im Schlick ein und warteten ungeduldig, bis die Gefahr wieder vorüber war. Wenn ihr im Nordseeschlick spazieren geht und etwas leuchten seht, so ist das sicher die Seebankmuschel Rinne, die ihre Muschelhälften geöffnet hat, um ihren Perlenkindern die Welt zu zeigen. Daneben werdet ihr den Wattwurm Tom entdecken, der nie müde wird, die schönsten Geschichten zu erzählen.

Mehr über das Wattenmeer

Ihnen hat die Geschichte gut gefallen und Sie möchten noch mehr rund um das Wattenmeer und seine Bewohner erfahren? Dann empfehlen wir Ihnen einen Besuch im Multimar Wattforum in Tönning! Anschaulich werden dort für Groß und Klein die Bewohner des Watts und die Bedeutung dieses UNESCO Weltnaturerbes gezeigt. 

 

mehr zum Nationalpark Wattenmeer

© Lynn Scotti

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