Hintergrund
Nachhaltigkeit ist keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit – und zugleich eine große Chance für den Tourismus an der Nordsee Schleswig-Holstein. Doch wie lässt sich nachhaltiges Handeln so vermitteln, dass es als selbstverständlich wahrgenommen wird?
Unser Kommunikationskonzept setzt genau hier an: Nachhaltigkeit wird als „neues Normal“ etabliert – nicht als Sonderlösung, sondern als fester Bestandteil des Urlaubserlebnisses. Dabei geht es um klare Botschaften, eine positive Ansprache und Anreize, die Gäste auf spielerische Weise für nachhaltiges Verhalten gewinnen sollen.
Ein wirkungsvolles Instrument ist „Nudging“, ein Konzept aus der Verhaltensökonomie. Hierbei sollen Menschen durch kleine Impulse unbewusst zu nachhaltigem Handeln motiviert werden – ohne Zwang oder Verbote. Der Begriff „nudge“ bedeutet „anstupsen“ und beschreibt, wie bereits subtile Änderungen im Umfeld oder in der Darstellung von Wahlmöglichkeiten das Verhalten positiv beeinflussen können. Entscheidend ist, nachhaltige Optionen attraktiver zu gestalten und ihre Vorteile klar zu vermitteln – so wird umweltbewusstes Handeln zur naheliegenden und einfachen Wahl.
Die 4 Prinzipien des Nudging
Menschen wählen oft die einfachste Option – also die, die standardmäßig vorgegeben ist. Nutzen Sie dieses Verhalten für nachhaltige Entscheidungen.
✅ Setzen Sie in Ihrem Hotel auf Mehrweg- statt auf Einwegflaschen – und bieten Sie Letztere nur auf Nachfrage an.
✅ Wechseln Sie Handtücher nur auf Wunsch statt automatisch – und kommunizieren Sie das charmant auf kleinen Hinweiskarten.
✅ Bieten Sie in Ihrem Restaurant vegetarische Gerichte als erste Option auf der Speisekarte an, während Fleischgerichte weiter unten stehen.
Menschen orientieren sich an der Mehrheit. Zeigen Sie, dass nachhaltiges Verhalten bereits normal ist.
✅ Hängen Sie in Badezimmern Schilder auf, z.B. mit der Info: „9 von 10 Gästen entscheiden sich, ihr Handtuch mehrfach zu nutzen.“
✅ Zeigen Sie in der Lobby oder auf Bildschirmen, wie viele Gäste bereits klimafreundlich angereist sind – etwa mit einer digitalen Bahn- und Fahrrad-Ankunftsanzeige.
✅ Lassen Sie Ihre Gäste über nachhaltige Maßnahmen abstimmen, z. B. „Welche regionale Spezialität soll als Nächstes auf die Speisekarte?“
Wer sich öffentlich zu einer Entscheidung bekennt, hält eher daran fest.
✅ Starten Sie eine Social-Media-Challenge: Gäste posten ein Foto mit dem Hashtag #MeinGrünerUrlaub, wenn sie das Fahrrad statt das Auto nutzen oder regionale Produkte konsumieren.
✅ Bieten Sie kleine Belohnungen für nachhaltige Entscheidungen – etwa einen kostenlosen Kaffee für Gäste, die ihr eigenes Mehrweggefäß mitbringen.
✅ Ermutigen Sie Gäste, sich einzutragen, wenn sie während ihres Aufenthalts auf Plastik verzichten oder an einer Aktion wie „Nimm drei - sei dabei“ teilnehmen – eine Liste an der Rezeption kann dabei helfen.
Je weniger Aufwand eine Entscheidung erfordert, desto wahrscheinlicher wird sie getroffen. Nachhaltige Alternativen sollten daher intuitiv zugänglich sein.
✅ Bieten Sie nachhaltige Alternativen direkt an: Fahrräder zur kostenlosen Nutzung oder Wasserstationen zum Auffüllen von Flaschen.
✅ Platzieren Sie Fahrradverleih-Infos und Nahverkehrspläne gut sichtbar an der Rezeption, sodass Gäste nicht extra nachfragen müssen.
✅ Stellen Sie eine Buchungsoption für klimaneutrale Zimmer bereit, die automatisch CO₂-Kompensation beinhaltet.
Damit nachhaltiges Handeln zur intuitiven Entscheidung wird, braucht es nicht nur clevere Anreize, sondern auch die richtige Sprache. Denn wie wir über Nachhaltigkeit sprechen, beeinflusst maßgeblich, ob Gäste sich angesprochen fühlen – oder abgeschreckt werden.
Die Art, wie Informationen präsentiert werden, bestimmt, wie sie wahrgenommen werden. Wird Nachhaltigkeit mit Einschränkungen verbunden, lösen wir Widerstand aus. Wird sie als Mehrwert kommuniziert, steigt die Akzeptanz. Wie Sie durch gezielte Sprache Gäste für nachhaltiges Handeln begeistern, zeigen wir Ihnen hier:
Menschen akzeptieren Regeln eher, wenn ihnen verständliche Gründe präsentiert werden.
❌ „Hunde bitte anleinen!“
✅ „Hier brüten Vögel am Boden – freilaufende Hunde gefährden ihren Nachwuchs.“
❌ „Nutzen Sie Bus und Bahn!“
✅ „Erleben Sie die Region stressfrei und klimafreundlich – die besten Ausflugstipps mit Bus & Bahn finden Sie hier.“
Angst erzeugt oft Ablehnung – inspirierende Geschichten hingegen motivieren.
✅ Storytelling nutzen: Erzählen Sie von der erfolgreichen Renaturierung eines Strandes, statt nur auf Verschmutzung hinzuweisen.
✅ Lösungen statt Probleme betonen: Zeigen Sie, wie Gäste mit kleinen Entscheidungen, wie der Wahl regionaler Speisen, Positives bewirken können.
Menschen handeln bewusster, wenn sie Nachhaltigkeit erleben können.
✅ Im Hotel: Kleine Infokarten auf Frühstückstischen erzählen von den regionalen Produzenten hinter den Speisen.
✅ Unterwegs: Infotafeln an Wanderwegen erklären den Einfluss bestimmter Schutzmaßnahmen auf die Natur.
Wie Nudging Lebensmittelverschwendung in der Hotellerie reduziert
Nachhaltigkeit beginnt oft mit kleinen Veränderungen – und genau hier setzt das Konzept des Nudging an. Eine aktuelle Studie der Freien Universität Bozen unter der Leitung von Prof. Dr. Isabel Schäufele-Elbers zeigt, dass schon einfache Hinweise Gäste dazu motivieren können, weniger Lebensmittel zu verschwenden.
Das Experiment fand in einem 3-Sterne-Hotel in Südtirol statt. Während der Frühstückszeit wurde am Buffet zwei verschiedene „Nudges“ getestet: Eine Botschaft betonte den Nachhaltigkeitsaspekt („Genießen statt verschwenden – gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft.“), die andere machte mit einer schlichten Information auf das Problem aufmerksam („Ein Drittel aller Lebensmittel wird nie verzehrt – du kannst dazu beitragen, Ressourcen zu schonen.“). Das Ergebnis war beeindruckend: Beide Botschaften führten dazu, dass Gäste im Durchschnitt über 37% weniger Essen auf den Tellern zurückließen.
Interessant ist, dass die Wirkung der Nudges über den gesamten Aufenthalt der Gäste anhielt. Die Studie zeigte, dass sich die Menge an verschwendetem Essen von Tag zu Tag weiter verringerte. Dies deutet darauf hin, dass Gäste durch den Hinweis ihr Verhalten überdenken und sich aktiv für eine bewusstere Wahl am Buffet entscheiden. Zudem wurde kein Unterschied zwischen den beiden Botschaften festgestellt – sowohl die emotionale als auch die faktenbasierte Variante führten zu ähnlich positiven Ergebnissen.
Was bedeutet das für touristische Betriebe? Nachhaltige Kommunikation muss nicht belehren, um effektiv zu sein. Kleine, gut platzierte Hinweise – sei es am Buffet oder auf der Speisekarte, auf dem Zimmer oder an der Rezeption – können Gäste dazu inspirieren, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit als Mehrwert vermittelt wird, nicht als Einschränkung.
Ein einfaches Schild, ein freundlicher Satz oder eine kreative Aktion können also bereits einen Unterschied machen – für den Gast, für den Betrieb und für die Umwelt.
Das könnte Sie auch interessieren ...