Nordfriesische Kultgetränke
16.10.2019 - Deichdeern

16.10.2019 - Deichdeern
Es ist Herbstzeit. Bei Herbst denke ich an lange Spaziergänge durch das raschelnde Laub, an Kastaniensammeln für die Rehe und an Teepunsch. Teepunsch habe ich erst kennenlernen dürfen als ich nach Nordfriesland gezogen bin. Meinen ersten Teepunsch hatte ich mit den Häckslerfahrern nach vollendeter Maisernte in der Küche meiner Schwiegermutter. Er besteht aus schwarzem Tee und „de geele Köm“. Letzteres ist ein Sternanisschnaps. Wie das Mischungsverhältnis ist, darüber scheiden sich die Geister. Ebenso wie stark der Tee sein darf. Manche schwenken den Beutel nur kurz drinnen und ziehen ihn gleich wieder raus, andere lassen ihn etwas länger ziehen. Den „Köm“ schubst man nach Belieben dazu. Eine selbsterfundene Faustregel dazu: Je größer die nasskalte Kriechkälte einen getroffen hat, desto mehr Köm sollte man nehmen. Haha.
Ich muss ehrlich gestehen, meinen ersten Pharisäer habe ich auf dem Schleswig-Holstein-Abend während der Grünen Woche in Berlin getrunken. Da muss man erstmal 400km fahren, um sowas schönes zu schätzen zu wissen. Pharisäer besteht aus gesüßtem Kaffee mit braunem Rum. Das Topping besteht aus einer fetten Sahnehaube. Nichts für jemanden, der grad auf seine Linie achtet. Angereicht wird er stilecht im guten „Indischblau“ Service von Oma. Wenn schon, denn schon.
Doch woher kommt eigentlich der Name? Entstanden ist der Pharisäer der Überlieferung nach auf der Insel Nordstrand im 19. Jahrhundert. Zu jener Zeit amtierte dort der besonders asketische Pastor Bleyer. Bei den Friesen war es Brauch, in seiner Gegenwart keinen Alkohol zu trinken. Bei der Taufe des sechsten oder siebenten Kindes des Bauern Peter Johannsen bedienten sie sich einer List und bereiteten das oben beschriebene Mischgetränk zu. Bei Entdeckung soll er ausgerufen haben: „Oh, ihr Pharisäer!“ Und damit hatte das Nationalgetränk der Nordfriesen nicht nur seine Geschichte, sondern auch seinen Namen. Und wo kann man ihn nun am besten genießen? Na auf Nordstrand natürlich! Im gleichnamigen Pharisäerhof.
Die Tote Tante ist das schokoladige Pendent zum Pharisäer. Es ist ein Kakao mit Rum und Sahnehaube. Seinen Ursprung hat das Heißgetränk von der Insel Föhr. Die Legende behauptet, dass eine Tante von Föhr aus nach Amerika auswanderte. Als sie starb, wollte sie gern in der Heimat bestattet werden. Doch die Überführung war zu teuer. Also packte man sie kurzerhand in eine Kiste, mit der eine Kakao-Lieferung nach Föhr geschickt wurde. Dort bekam sie ein würdiges Begräbnis. So pragmatisch wie ich die Föhrer kenne, unterschreibe ich diese Geschichte sofort.
Ich dachte neben den ganzen heißen Klassikern erzähle ich euch auch mal von einem Getränk, das erst seit kurzem mein Herz bzw. meinen Gaumen erobert hat: Nordic Mule. Benannt ist der leckere Longdrink nach dem Ort, an dem ich ihn das erste Mal getrunken habe: Bei Norditeran in Bordelum. Durch die Ingwernote und die Limette bringt er eine gewisse Freshness und Schärfe mit sich, die ich gerade für die schnotterige Herbstzeit gut gebrauchen kann. Er besteht aus Helbing Kümmel, Ginger Beer und Limettensaft. Das ganze „on the rocks“ und mit Dill und Gurke garniert. Kann man richtig gut haben so als Sundowner, zum Freitagabenddate mit den Mädels oder vorm Elternabend. Hah – kleiner Scherz.